Grasberg
Foto: Andreas Lemke [CC BY 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/3.0)]

 
Grasberg
Luth. Kirche

Neubau 1694

IIP/21

Die Orgel wurde ursprünglich für die Kirche des Hamburger Waisenhauses am Rödingsmarkt erbaut. Sie hatte aufgrund geringer Raumhöhe dort das Hauptwerk in der Brüstung, ein dahinter liegendes "Mittelwerk" und nochmals dahinter das Pedal. Der Spieler saß zwischen letzteren.
Sie wurde durch Johann Adam Reincken abgenommen. Beide Manualwerke hatten ursprünglich geschlossene Gehäuse.
Auch hier ist es wahrscheinlich, dass an ihr berühmte Organisten gespielt haben, da dieses Instrument für die damaligen Verhältnisse für sie leichter zugänglich war.

1785 wurde das Gebäude aufgegeben und die Schnitger-Orgel stand zum Verkauf. Georg Wilhelmy aus Stade übernahm sie und konnte bald von ihm nach Grasberg weiterverkauft werden.
 
Eine Seltenheit ist, dass die Mixturen in Haupt- und Brustwerk noch original sind. Es sind die für die Zeit um 1700 typischen, relativ hohe Klangkronen, die sogenannte "schneidende Schärfe", die möglicherweise speziell hier gewünscht war, da sie mit den Kinderstimmen im Chor besser harmonierten. Das Hauptwerks-Gehäuse ist heute hinten offen.
 
Die Farbgebung der Orgel ist nicht original. Neben dem Flachfeld auf der rechten Seite wurde auf dem Rahmenstück die alte Bemalung freigelegt.

Wegen der Kirchenrenovierung in Grasberg wurde die Orgel von 1988-1990 vorübergehend in die Klosterkirche in Möllenbeck bei Rinteln spielfertig ausgelagert.
 
Von Schnitger sind:
Gehäuseoberteil (mit Veränderungen), Windladen
Register: 5 von 8 im Hauptwerk,
             5 von 6 im Brustwerk,
             4 von 7 im Pedal
 
Die Chronik siehe unten.

  
I. Hauptwerk II. Brustwerk Pedal
Principall
Rohrfloit
Octav
Nasat
Octav
Sexquialt II
Mixtur IV-VI
Trommett
 
8
8
4
3
2
 
 
8
h
s
s
h
s
h
s
s
Gedackt
Rohrfloit
Waldtfloit
Quint
Scharff IV
Dulcian
8
4
2
1 1/2
 
8
s
w
s
s
s
s
Supbaß
Gedact
Octav
Mixtur IV
Posaune
Trommett
Cornett
16
8
4
 
16
8
4
s
s
s
h
w/s
s
h
8 6 7
 
s = Schnitger
w = Wilhelmy 1788
h = Hillebrand 1985

Stimmung Neidhardt III
Tonumfang CDEFGA-c3/CDE-d1
 


1788
Umsetzung nach Grasberg durch Georg Wilhelm Wilhelmy, Stade
Bedingt durch die notwendige Sonderlösung Schnitgers im Waisenhaus, war dies kein bloßer Umzug, sondern ein Umbau, weil man in Grasberg wesentlich mehr Höhe hatte. Das "Ober Clavier", welches vorher in einem geschlossenen Gehäuse zwischen Hauptwerk und Pedal stand, wurde in ein Brustwerk umgebaut. Das Gehäuse vorne wurde verbreitert, insgesamt erhöht und wahrscheinlich auch die Seitentürme in Rundtürme umgebaut. Wilhelmy nutzte die in Grasberg vorhandene größere Raumhöhe aus. Infolge der Veränderungen wurde auch die Traktur zum Teil erneuert. Im Pedal baute er den Dulcian 16 Schnitgers in eine Posaune 16 um (neue hölzerne Becher), im Brustwerk statt der Plockfloit von Schnitger eine neue Rohrflöte. Die Pedalmixtur wurde verkleinert. Das Cornett 2 dort entfiel. Die neuen räumlichen Verhältnisse führten auch zu Änderungen in der Aufstellung der Pfeifen.
Das neue Untergehäuse Wilhelmys zeigt eine einfachere Gestaltung aus der Zeit des Klassizismus.
 
1826 Instandsetzung nach Witterungseinflüssen im Kirchendach durch Georg Wilhelmy
 
1859-1862 Umdisponierung durch Johann Heinrich Rohdenburg, Lilienthal
Statt Nasat 3 und Sexquialt jetzt Gamba 8 und Bordun 16
 
1918 Ablieferung der 65 Prospektpfeifen Schnitgers zu Kriegszwecken
 
1950 Instandsetzung durch Paul Ott, Göttingen
Hierbei wurden leider die Pfeifen verändert, gemäß der damaligen Auffassung
 
1985 Abschluss der Wiederherstellung des von Wilhelmy 1788 geschaffenen Zustands durch  Gebr. Hillebrand, Altwarmbüchen
 
1985-90
In Folge der Kirchenrenovierung in Grasberg Abbau, Überführung und Aufstellung der Orgel nach Möllenbeck bei Rinteln, im Chor der Klosterkirche.
Hierbei findet eine genaue dokumentierende Vermessung statt, die u.a. zu einem Nachbau in Basel führt. Danach Rückführung durch Fa. Hillebrand.

 
2015
Durch Schimmelbefall wurde eine Reinigung erforderlich. Ersatz der durch Holzwurm befallenen Köpfe der Zugenstimmen. Diese waren ausnahmsweise nicht aus Eichenholz. Technische Reparaturen. Nachintonation. Beseitigung einiger Schärfen in den Mixturen. Ausgeführt durch Rowan West, Ahrweiler.