Corvey, Klosterkirche


 
Corvey

Klosterkirche St.Stephanus und Vitus, kath.

1681-83 Andreas Schneider, Höxter, IIP/32


Der Auftrag für Schneider war damals eines der größten Orgelbauprojekte in Westfalen, denn er enthielt neben der großen Orgel auch den Bau einer Chororgel mit 2 Manualen und 18 Registern. Sie ist in Teilen des Gehäuses in Amelunxen erhalten. Bedauerlich ist, dass Andreas Schneider bereits 1685 jung verstarb. Die Orgelweihe der großen Orgel war 11.November 1683.

Sehr bemerkenswert sind in Corvey u.a. die Prospektpfeifen, deren Labien eine ganz eigene Form, "Engelszungen", aufweisen. Diese sind auch an der Schneider-Orgel in Gehrden zu sehen. Auffallend auch ist die große Zahl der Figuren und Verzierungen, insbesondere und sehenswert die 4 "emporetragenden", mehr als lebensgroßen Engelsfiguren. Dies und die übrige Gestalt der Orgel im "Fürstenberger Rot" fügen sich nahtlos in den hochbarocken Kirchenraum ein.

2008 wurde in großem Maße Bleifraß festgestellt, der das Werk ernsthaft gefährdete. Daraufhin gründete sich die Initiative "CHORUS", die sich die Wiederherstellung der Orgel zum Ziel gesetzt hatte.

Am 12.Juni 2021 konnte das wertvolle Instrument wieder eingeweiht werden.

Zur Chronologie der Orgel siehe unten.




 
I. Hauptwerk CD-d3 II. Brustwerk CD-d3 Pedal CD-d1
Bardun
Praestant
Violdigambe
Gembshorn
Quintadena
Quinta
Octava
Quinta
Flöthe
Große Sesquialtera 2fach
Mixtur 4fach
Cimbal 3fach
Dulcian
Trompett
 
16
8
8
8
8
6
4
3
2
 
2
1/2
16
8
s/
s
s
s

Gedeckt
Octava
Gedeckt
Gembshorn
Quintflöthe
Blockflöthe
Spitzquinta
Sesquialtera 3fach
Mixtur 3fach
Krumhorn

Glockenspiel c1-c3
8
4
4
4
3
2
1 1/2
 
1
8

Praestant
Quintadena
Octava
Rohrflöthenbaß
Mixtur 4fach
Basaunenbaß
Trompetenbaß
Cornet Baß
16
16
8
1
4
16
8
4
s
s/
s/
14 10 8
s = von Schneider 1683, bzw. s/ = zum Teil. Insgesamt knapp 13% des Pfeifenwerks.
Originale Prospektpfeifen im Hauptwerk und Pedal
Originale Springladen im Hauptwerk (wieder hergestellt) und Pedal
Mitteltönige Stimmung mit 8 reinen großen Terzen
Stimmtonhöhe 462 Hz
Schiebekoppel Brustwerk - Hauptwerk

 

1681-1683 Neubau durch Schneider. Springladen in Hauptwerk und Pedal, im Brustwerk Schleifladen. Die Prospektpfeifen waren ursprünglich mit Zinnfolie, später mit Silberfolie belegt. 

1718 Einbau eines Rückpositivs durch den ehemaligen Schnitger-Gesellen Matthias Naumann, Hildesheim. Diese Arbeit ist in den Archiven belegt.

1739 (größere) Reparatur von Chor- und Hauptorgel durch Stephan Kohlen, Gottsbüren

1743 Einbau eines Glockenspiels durch Stephan Kohlen, Gottsbüren

Um 1785 "Hauptreparatur" durch Johann Stephan Heeren, Gottsbüren, im Zuge einer umfassenden Umgestaltung des barocken Innenraums. Dabei wahrscheinlich Umbau der Laden von Haupt- und Brustwerk zu Schleifladen, Entfernung des Rückpositivs ("Vox humana" genannt) mit 10 Registern. Dieses Werk wurde ebenfalls renoviert und auf dem "Cohr" als eigenständiges Positiv aufgebaut.

Um 1813 "nur oberflächliche" Reparatur durch Gebr. Oestreich

Vermutlich um 1825 Reparatur und Austausch von Registern durch Johann Adam Oestreich. 1839 waren schon neue, romantische Register vorhanden (siehe Gutachten und Disposition)

1839/41 Reparatur durch Johann Dietrich Kuhlmann, Gottsbüren. Grundlage waren die Gutachten von Johann Christoph Heeren und Johann Adam Oestreich. Wertvoll aus heutiger Sicht, ist die Überlieferung der Disposition:
Im Hauptwerk gab es danach statt einer Quinte 3 eine Terz 1 3/5, eine Flöte 4 statt Flöte 2 und zusätzlich eine Octave 2. Nur eine Zunge: Trompete 8.
Das Brustwerk muß schon früher vollständig umgebaut worden sein und hatte nun 8 statt der ursprünglich 10, zumindest vereinbarten Register.
Im Pedal gab es 8 Register. 6 stimmten mit 1681 überein, ein Violon 16 und eine Hohlflöte 2 sind später hinzugekommen.
Das Glockenspiel war vorhanden. Durch die Arbeiten gab es keine Dispositionsänderung.

1869 Reparatur durch Karl August Randebrock, Paderborn.
Reparatur der Bälge, des Pfeifenwerks und neue Manualkoppel. Im Pedal statt Mixtur ein Violon 8. Über die Qualität der Arbeiten wurde gestritten, letztendlich aber zu Gunsten Randebrocks.

1943/46 Untersuchungen durch Christhard Mahrenholz. Daraus geht hervor, dass das Hauptwerk seit 1841 unangetastet war, im Brustwerk fehlten Vox humana und das Glockenspiel, im Pedal Cornet und Hohlflöte 2.

1950 Renovierung und Veränderung durch Fa. Hammer, Hannover.
Im Hauptwerk neue Mixtur und Zimbel, ein zusätzlicher Chor der Sesquialtera. Im Brustwerk neues Scharf. Tiefgreifendster Eingriff war die Reduktion des Winddrucks und die Umintonierung der Pfeifen. Die beabsichtigte Rekonstruktion und Überarbeitung von 6 Zungestimmen wurde zurückgestellt. In der Folgezeit wurde dies weiter aufgeschoben. Durch Verlegung des Gebläses in das Orgelgehäuse herrschte dort Enge.
Inzwischen war Rudolf Reuter mit der Zukunft der Orgel beschäftigt. In Bezug auf Kritik und Mängel an den Arbeiten durch Hammer, sollte nun Paul Ott mit zukünftigen Arbeiten betraut werden, was auch zu einem Affront mit Mahrenholz führte.


1963-65
Restaurierung durch Paul Ott, Göttingen.
Nach den damals üblichen Kenntnissen und Auffassungen. Ziel war die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Die wesentlichen Arbeiten waren:

  • Windladen des Pedals überarbeitet
  • Schleifladen des Hauptwerks zu Springladen zurückgebaut
  • Neue Klaviatur
  • Ein Gerüstwerk aus Stahl in die Orgel eingebracht
  • Windanlage komplett erneuert
  • Altes Pfeifenwerk überholt, um die historisch verbürgte Disposition wiederherzustellen.
  • Neu: Schleiflade im Brustwerk, das Glockenspiel, die Koppeln und der Tremulant
  • Erniedrigung der Pfeifenaufschnitte, die zur Klangveränderung führten

Dabei wurde auch "modernes" bzw. nicht entsprechendes Material verwendet.
 
1994 Reparatur und Instandsetzung durch Siegfried Sauer, Ottbergen
Auch hier wurde wieder vielfach Bleifraß an den Pfeifen festgestellt.

2008 Im Rahmen von Wartungsarbeiten wurde nun Bleifraß in fortgeschrittenem Umfang sichtbar, welches nun baldiges Handeln verlangte. Es bildete sich der Förderverein CHORUS, der sich einerseits um Finanzierungsfragen, wie auch um die technische Umsetzung kümmerte. Letzteres führte zum Auftrag für die Firma Flentrop aus den Niederlanden.

2016 Im Oktober Beginn der Restaurierungsarbeiten durch die Firma Flentrop, Zaandam/Niederlande

  • In den Manualwerken das große Cis entfernt
  • Alle 6 Zungenstimmen rekonstruiert nach Vorbildern Salzgitter-Ringelheim und Dronrijp
  • Im Pedalwerk Mixtur auf 4-fach reduziert
  • Die Tremulanten im HW und BW nicht wieder eingebaut
  • Die Schleiflade des Brustwerks beibehalten
  • Das Glockenspiel im BW beibehalten
  • Die Pedalkoppeln nicht wieder eingefügt
  • Nur noch eine Koppel: Brustwerk an Hauptwerk als Schiebekoppel
  • Neue Balganlage auf dem Dachboden (keine andere Möglichkeit)
  • Anlegen der ursprünglichen, rein mitteltönigen Stimmung

2021 Im Juni Abschluss der Arbeiten

Die Gesamtkosten blieben knapp unter einer Million Euro, wobei der weitaus größte Teil durch Spenden und Zuschüsse aufgebracht werden konnte.

Ausdrücklich empfohlen wird hier die sehr ansprechende und detaillierte Festschrift zur Einweihung, mit vielen Einzelheiten zur Geschichte des Gebäudes und der Orgel.