1455 Früheste Erwähnung
von Orgeln in St.Marien. Im 16.Jahrhundert hatte die Kirche bereits 2 Orgeln.
1584
ist ein "beklagenswerter" Zustand der Kirche (und wohl auch der Orgel) belegt
1586 Dringende
Reparaturarbeiten durch Georg Slegel, die offenbar aber nicht
befriedigten, da 1587 Klagen der Pastoren an Graf Simon gerichtet wurden. Immerhin sind mangels
Zuschüssen in den Folgejahren Zinszahlungen für Privatdarlehen von 428 Talern
überliefert, die für einen Orgelneubau plausibel erscheinen. Im gleichen Jahr sind auch
Mauerarbeiten nachgewiesen, die mit dem Neubau in Verbindung stehen.
1588 und 1590 sind Aufenthalte Slegels in Lemgo belegt
1595
Fertigstellung der Orgel im Dezember. Warum sich der Bau so lange hinzog, ist nicht
geklärt. Ein Grund könnte die Finanzierung sein. Weiter muß bedacht werden, dass Slegel
zu der Zeit auch in Herford St.Marien auf dem Berge verpflichtet war, wie es aus dem
überlieferten Vertrag hervorgeht.
Diese Orgel stand auf einer kleinen Empore, war farbig gefaßt und besaß
Flügeltüren. Um Orgel und Empore rankten sich Wandmalereien, die noch erhalten sind,
aber heute durch die große Empore verdeckt sind. Möglicherweise besaß die Slegel-Orgel
nur einen Tonumfang von FGA-g2a2.
Wiederum ungeklärt
ist der Umstand, warum bereits Anfang des 17. Jahrhunderts bis 1612 ein Umbau stattfand.
Es kann vielleicht auch damit tun haben, dass das Dach oberhalb der Orgel schon damals
Probleme bereitete und die Orgel in Mitleidenschaft zog. Aufgrund des im Ratsprotokoll
genannten "M.Fritsen orgamacher" und der in 2009 untersuchten Prospektpfeifen geht man davon aus, dass es die Werkstatt
Scherer war und mit "Fritsen" Friedrich Scherer.
1613 im Januar
wurde die Fertigstellung des Umbaus gefeiert, bei der die heutige Gestalt der Anlage, mit
der neuen Empore und dem Pedalgehäuse entstand. Ein vorliegendes dendro-chronologisches
Gutachten der Tragbalken weist auf das Jahr 1612/13. Auch bei diesen Arbeiten gab es
Finanzierungsprobleme, wie in einem Senatsprotokoll vom Juni 1626 über eine Rückzahlung
debattiert wird.
1629 Der Organist von
St.Nicolai Andreas Knoidt erstellt im Auftrag der Stadt ein Gutachten über die erst 16
Jahre alte Orgel. Es ist von "große Mangell" die Rede. Er wird beauftragt, die
Orgel zu betreuen.
1632 verfasst
Knoidt einen wenig schmeichelhaften Zustandsbericht. Er entfernt den "nasatt"
und die Holzpfeife, die -vielleicht- auf einer eigenen Lade standen. In seinem
Abschlussbericht konstatiert er den nun einwandfreien Zustand.
Wieder musste das Dach oberhalb der Orgel repariert werden.
1650 wurde ein
Kostenanschlag eines Orgelbauers für eine Grundsanierung eingeholt, die aber nicht
beauftragt wurde. Stattdessen wurde Andreas Knoidt weiter mit der Betreuung beauftragt.
In den Folgejahren gab es immer wieder Schäden infolge von Unwettern.
1661
reparierten Knoidt, der Organist Arent Floerke und Daniel Schön aus Blomberg das
Instrument.
1667 standen
abermals Arbeiten an. Aufgrund von Holzdatierungen erscheint es möglich, dass zu der Zeit
das Oberwerk durch ein Brustwerk ersetzt und die Springladen erbaut wurden.
1732 und 1741 war Christian Klausing an der Orgel tätig, u.a. "das orgel zu
renovieren".
1766 Reparatur
durch Christoph Heeren, Gottsbüren
1819
Erneuerungsarbeiten durch den Orgelbauer Johann Heinrich Brinkmann,
Versmold/Herford. Neue Windversorgung und Dispositionsänderungen.
In den folgenden Jahrzehnten erlahmte das kirchliche Leben an St.Marien.
1855 musste die
Kirche wegen Einsturzgefahr sogar geschlossen werden
1859 wurden aus
finanziellen Gründen nur notdürftige Reparaturen durch Siegwart Volland,
Lemgo durchgeführt
1861 fand der
erste Gottesdienst nach der Sanierung statt
Ab 1880 setzte
eine Modernisierung der Kirche im Sinne des Ekletizismus ein
1887 Neubau
einer Orgel auf der Westempore durch Ernst Klaßmeyer, Lemgo-Kirchheide
Das Pfeifenwerk und andere Teile der Schwalbennestorgel wurden entfernt, einige Register
in die neue Orgel übernommen, der Rest zunächst zwischengelagert und offenbar später
eingeschmolzen oder vernichtet.
1912 fand die
Wiedereinweihung nach einer weiteren Renovierung statt. Die neue Orgel war ergänzt
worden, das Gehäuse der Schwalbennestorgel abgebeizt, von Farbschichten befreit und
Schnitzwerk wieder hergestellt.
Eine große Baumassnahme fand Anfang der 1930iger Jahre statt. Die Orgel wurde als Kriegerdenkmal angemeldet und Gedenktafeln mit
Namen von Gefallenen des ersten Weltkriegs angebracht. Dadurch flossen vom Staat Gelder,
mit denen Friedrich Klassmeier, Lemgo-Kirchheide und der
Orgelsachverständige Christhard Mahrenholz, Hannover das Instrument nach
damaliger Auffassung rekonstruieren konnten. Gleichzeitig wurde die Hauptorgel von 1887
überholt und einige Stimmen in die Schwalbennestorgel umgesetzt. Beide Instrumente wurden
schließlich elektrisch verbunden, womit man die alte Orgel von der Hauptorgel aus spielen
konnte. Die Arbeiten waren 1933 abgeschlossen.
Bis um 1947
hatte die Orgel sehr unter eindringendem Regenwasser zu leiden, was ihren Bestand auf
Dauer gefährdete. Auf Initiative des langjährigen Kantors Walther Schmidt entschied man
sich für eine grundlegende Renovierung und Restaurierung und beauftragte 1947 die
Werkstatt Paul Ott, Göttingen zur "denkmalsgetreuen Wiederherstellung". Dabei
wurde einerseits die alte Disposition wiederhergestellt. Am Brustwerk wurden Türen
angebracht, da der Klang dieses Teilwerks bisher nicht zur vollen Wirkung kam. Nach
Beratungen mit einer Reihe Fachleuten beschloß man außerdem den Bau eines zusätzlichen
Oberwerks als 3.Manual.
1950 Abschluß
des ersten Bauabschnitts. Start der Lemgoer Orgeltage.
1961 Zweiter,
umfangreicher Bauabschnitt, u.a. Ergänzung bisher nicht realisierter Stimmen und
gründliche Überholung. Dabei fanden auch schwächende Eingriffe in die
Emporenkonstruktion statt. Das Orgelgehäuse wurde mit Stahlträgern stabilisiert. Die
Orgel hatte nun 27 Register auf Haupt-, Brust-, Oberwerk und Pedal.
1997
Renovierung durch die Werkstatt Ott, Göttingen, nach der Sanierung der
Kirche
Seit vielen Jahren zeigte sich die Renovierungsbedürftigkeit des Instruments. Es wurde
ein Orgelbauausschuss gebildet, für den u.a. Harald Vogel gewonnen werden konnte und der
die notwendigen Maßnahmen erarbeiten sollte. Im Ergebnis entschied man sich für die
Rekonstruktion auf den Zustand von 1612/1629, also Rückbau auf 20 Register auf 2 Manualen
in Haupt-, Oberwerk und Pedal. Das Gehäuse bietet nur für zwei Werke Platz. Durch das
Hinzufügen eines 3 Manuals herrschte große Enge, durch die die Klangentfaltung behindert
wurde.
Der Auftrag wurde am 16.Mai 2008 an die Firma Rowan West, Altenahr, vergeben.
Am 10.Januar 2009 fand das letzte Konzert an der Orgel statt, wo es noch einmal in seiner
alten, inzwischen fast 60 Jahre alten Klangstruktur zu hören war. Unter großer
Anteilnahme interessierter und engagierter Bürger konzertierten aus diesem Anlass
Prof.Gerhard Weinberger aus Detmold und Prof. Dr. Helmut Fleinghaus aus Herford. Der
vorgesehene Dritte in der Runde dieses Orgel-Highlights Prof. Harald Vogel, konnte wegen
Erkrankung leider nicht erscheinen. Im Anschluß an das Konzert wurde den bisherigen
Spenderinnen und Spendern der Pfeifenpatenschaften die Urkunden überreicht. Bis dahin
wurden 328 Patenschaften im Gesamtwert von 60000 Euro erreicht.
Ab dem 19.Januar 2009 wurde mit der
Entkernung begonnen. Alle Windladen und Mechanik wurden entfernt und zwischengelagert.
Danach begann der beratende Sachverständige Koos von de Linde mit seinen Untersuchungen
und der Dokumentation, die im September 2009 abgeschlossen wurde. Einige Ergebnisse wurden oben schon erwähnt. Das
Hauptgehäuse enthält Elemente und Umbauten des 16. bis 20. Jahrhunderts.
Vieles davon geht auf Slegel zurück. Die Anordnung der Pfeifen konnte ebenfalls auf
Slegel rekonstruiert werden.
Seit Oktober 2009 hatten die Bauarbeiten an dem Instrument begonnen, die dann im Oktober 2010 abgeschlossen
waren.
Das Gehäuse wurde in seiner alten Gestalt und wieder hergestellt. Das gesamte Pfeifenwerk
wurde nach Vorbildern neu angefertigt.
Die Prospektpfeifen von Scherer und die Springladen wurden restauriert.
Die Stimmung der Orgel ist in Anwendung konsequenter Rekonstruktion rein mitteltönig mit
8 reinen großen Terzen.
Die Einweihung fand am 29. bzw. 31.Oktober 2010 im Rahmen der 29. Orgeltage statt.
Weitere Informationen sind
in den folgenden Schriften nachzulesen (Stand 10/2010):
Schwalbennestorgel in
St.Marien/Lemgo, Lippische Kulturlandschaften Heft 15, im Lippischen Heimatbund 2010
Koos van de Linde: Die
Restaurierung und Rekonstruktion der Schwalbennest-Orgel in der St.Marienkirche zu Lemgo,
in der Kirche als A4-Druck
In der Kirche befindet sich
an der Westwand ein Videopult, an dem ebenfalls Informationen und Bauskizzen zur Orgel
abgerufen werden können.
|